Festpunkt per GNSS einmessen (Allgemeines)

MatthiasNaumann @, Rostock, Thursday, 16.01.2020, 11:17 (vor 1563 Tagen) @ Zwotwo

Es kam schon die Nachfrage, ob die Referenzpunkte überhaupt in einem übergeordneten Koordinatenreferenzsystem bestimmt werden müssen. Leider fehlte die Antwort. Der Aufbau eines lokalen Netzes könnte über differentielles GNSS (DGPS) und/oder Tachymeter erfolgen.

Wenn die Referenzpunkte übergeordnet ermittelt werden müssen und die Positionen, aus welchen Gründen auch immer, nur mit GNSS-Messungen bestimmt werden sollen, könnte man in Regionen ohne Infrastruktur (GNSS-Permanent-Referenzstationen für Übertragung von Echtzeit-GNSS-Korrekturen) andere Techniken anwenden:

1)GNSS-PPP (zur globalen Lagerung)
Relativ neue GNSS-Auswertetechnik (Precise Point Positioning) bei der verschiedene GNSS-Fehlereinflüsse getrennt modelliert und nicht wie beim klassischen DGPS/RTK als Fehlersumme korrigiert werden. Ein zum Loggen von GNSS-Rohbeobachtungen (gnss raw data) geeigneter, so genannter geodätischer GNSS-Empfänger wird benötigt. Er muss auf jedem der zu bestimmenden Punkte längere Zeit Rohbeobachtungen sammeln. Für die geforderten hohen Genauigkeiten (wenige Zentimeter) wird die Beobachtungszeit relativ lang sein: siehe AVN-Artikel "Berechnungsdienste für Precise Point Positioning (PPP)" Giese et al., https://tu-dresden.de/bu/umwelt/geo/gi/gg/ressourcen/dateien/veroeffentlichungen/PPP_AVN_03_2011.pdf.

Die Beobachtungszeit hängt von verschiedenen Faktoren ab: Distanzen zu frei verfügbaren Referenzstationen des IGS (je weiter, desto längere Dauer), Ionosphärenaktivität, Empfangsumgebung am Standort des eigenen GNSS-Empfängers.
Geodätischer Empfänger bedeutet, dass auch die Trägerphasen und nicht nur die zivilen Code-Signale auf mind. zwei Trägerfrequenzen (bei GPS: L1, L2 und L5) verarbeitet werden. Wenn dieser GNSS-Empfänger auch GLONASS-Trägersignale loggen kann, um so besser! Für die Berechnung benötigt man keine eigene Software, es gibt Webprocessingservices (siehe Artikel). Ich kann den kanadischen PPP-Dienst empfehlen CSRS-PPP.
Wenn man nur den einen geodätischen Empfänger besitzt, dann dürfte klar sein, dass die Bestimmung einer Vielzahl von Punkten viel Zeit (Tage!) beansprucht.

2) PPP und relatives GNSS
Hat man mehrere GNSS-Empfänger zur Verfügung, kann man eine Kombination von PPP und relativer GNSS-Auswertung (Basislinienberechnung) durchführen. (Achtung: Ich schließe aus, dass die Empfänger zur Laufzeit miteinander kommunizeren oder im Base-Rover-Modus betrieben werden können. Wenn diese als Base-Rover miteinander kommunizieren könnten, wäre vieles leichter und schneller möglich, da dann in Echtzeit ein differentielles GNSS als sogenanntes RTK-GNSS möglich ist.) Damit bleibt nur die nachträgliche Auswertung der Basislinien zwischen den zu bestimmenden Punkten. Dazu benötigt man zur Auswertung allerdings auch eine Software zur relativen GNSS-Auswertung (es gibt auch freie Software, z.B. RTKlib). Diese Auswertung ist eine klassische GNSS-Basislinienberechnung bei der der 3D-Vektor dx,dy,dz zwischen beiden GNSS-Punkten ermittelt wird.
Nehmen wir an es ständen 2 geodät. Empfänger zur Verfügung. Stufe 1: Beide könnten zeitgleich auf zwei Punkten, die für PPP-Auswertungen benötigten langen GNSS-Beobachtungen loggen. Mit einem Online PPP-Dienst kann man beide Positionen global berechnen. Außerdem kann man diese Messungen auch mit der zur Verfügung stehenden Software zur Basislinien-Berechnung auswerten. Damit ist der Vergleich der Ergebnisse in der Art möglich, dass man aus den PPP-berechneten Positionen auch die Koordinatenkomponenten bildet und mit der eigenen Basislinienberechnung vergleicht. Damit hätte man keinen Verlass, aber einen Indiz darauf, ob die Beobachtungszeit genügt. Stufe 2: Die anderen Punkte werden nur noch relativ ausgewertet (Basislinien berechnet). Dabei genügen wesentlich kürzere zeitgleiche Beobachtungszeiten. Stufe 3: Aufbau eines tatsächlichen Netzes mit redundanter Bestimmung ermöglicht eine Ausgleichung und die gemeinsame Ermittlung aller Positionen.

Natürlich könnten die Positionen der anderen Punkte auch per Tachymeter ausgehend von den beiden PPP-bestimmten Punkten erfolgen, wenn die Punkte auch wirkliches Netz bilden (im Sinne von Sichtverbindungen zwischen Netzpunkten).


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