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Unterschied normierte und standardisierte Verbesserung (Geodäsie/Vermessung)

MichaeL ⌂, Bad Vilbel, Saturday, 09.07.2016, 22:01 (vor 2845 Tagen) @ Barny.G

Guten Abend,

Niemeier bezeichnet dies
w_i = \frac{v_i}{\sigma_0 \; \sqrt{q_{{vv}_{ii}}}}
als standardisierte Verbesserung. Wobei die

q_{{vv}_{ii}}} = r_i
sind.

Nein, mit q_{{vv}_{ii}}} ist das i-te Hauptdiagonalelement der Kofaktormatrix der Verbesserungen Q_{vv} gemeint, nicht aber die Redundanzmatrix, die sich aus R = Q_{vv}P ergibt.

In anderen Büchern, beispielsweise Möser, Handbuch der... ist
NV_i = \frac{v_i}{\s_0 \; \sqrt{r_i}
als normierte Verbesserung bezeichnet.

Diese Gleichung müsste korrekt lauten: NV_i = \frac{v_i}{\sigma_l_i \; \sqrt{r_i}

Nun liegt die Vermutung nahe, dass Möser die empirische Varianz (bzw. Standardabweichung) a posteriori verwendet und Niemeier die theoretische Varianz a priori.

Nein, warum? Es gilt doch mit R = Q_{vv}P und für den Fall unkorrelierter Beobachtungen:

\frac{v_i}{\sigma_v_{i}} = \frac{v_i}{\sigma_0 \sqrt{q_{{vv}_{ii}}}} = \frac{v_i  \sqrt{p_{ii}}}{\sigma_0 \sqrt{r_{ii}}}}

und wenn Q_{ll} = P^{-1} ist, dann gilt weiter

\frac{v_i\sqrt{p_{ii}}}{\sigma_0\sqrt{r_{ii}}}}=\frac{v_i}{\sigma_0\sqrt{q_{ll}_{ii}}\sqrt{r_{ii}}}}=\frac{v_i}{\sigma_l_i\sqrt{r_{ii}}}}

Kurzum, es handelt sich immer um den selben Wert. Ich verweise erneut auf die Herleitung im Jäger et al. (2005), S. 193 und in diesem Zusammenhang auf den Artikel: Zum Einsatz der F-Verteilung bei gerichteten und ungerichteten Hypothesentests. Der Test ist demnach nur ein Sonderfall einer allg. Teststatistik.

Kann denn die empirische Varianz überhaupt zur Fehlersuche dienen?

Klar, warum nicht? Wie Du im o.g. Artikel nachlesen kannst, lassen sich zwei Teststatistiken definieren. Eine nutzt den a-priori Varianzfaktor und die andere dessen Schätzwert. Die Teststatistik mit dem geschätzten Varianzfaktor wird immer dann angewendet, wenn Du keine (oder nur schlechte) Informationen über die a-priori Genauigkeiten hast.

Denn in vielen Veröffentlichungen sind die Grenzen 0-2,5 / 2,5-4,0 / 4,0-- für die Fehlersuche nach groben Fehlern gleich angegeben.

Diese Grenzwerte sind zur Orientierung sicher gut und leiten sich aus der Standardnormalverteilung ab. Ich wüsste jetzt kein Programm, welches diese Einteilung nutzt und nicht aus einer vorgegebenen Irrtumswahrscheinlichkeit das zugehörige Quantil als Grenzwert bestimmt. Wenn man im Feld mal schnell einen Wert prüfen will, wendet man ja auch die 3-Sigma-Regel an - im finalen Report/Bericht wird man das dann vermutlich etwas fundierter ausdrücken.

Was kann ich davon halten? Und was ist richtig?

Beide Gleichungen sind identisch. Sie gelten für den Sonderfall eines Tests für unkorrelierte Einzelbeobachtungen. Die zugehörige Verteilung ist die Standardnormalverteilung. Wenn der geschätzte Varianzfaktor verwendet wird, ist es die Student-t-Verteilung. Beide Teststatistiken lassen sich aus allg. Teststatistiken ableiten, die dann der F-Verteilung unterliegen. In JAG3D wird daher ausschließlich der F-Test zur Prüfung auf Modellstörungen angewendet.

Viele Grüße
Micha

--
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