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Ausgleichung mit Restriktionen (Geodäsie/Vermessung)

MichaeL ⌂, Bad Vilbel, Sunday, 28.01.2024, 12:33 (vor 299 Tagen) @ DoreenH

Hallo Doreen,

hier werden x und k separat aufgelöst.

Diese Vorgehensweise setzt jedoch voraus, dass die Normalgleichungsmatrix $\mathbf{N}$ vollen Rang hat und damit invertiert werden kann. In vielen Anwendungen werden aber Restriktionen hinzugefügt, da $\mathbf{N}$ einen Defekt aufweist. In diesem Fall kann $\mathbf{N^{\mathrm{-1}}}$ nicht gebildet werden. Eine stufenweise Auflösung nach $\mathbf{x}$ und $\mathbf{k}$ kann demnach nicht gelingen. Eine typische Anwendung in der Geodäsie ist hier die freie Netzausgleichung. Die Normalgleichung weist keinen vollen Rang auf. Zum Lösen werden üblicherweise Bedingungsgleichungen für spezifische Punkte - Datumspunkte - eingeführt. Das erweitere System ist dann wieder regulär.

Ich habe jetzt einfach x und k in einem Vektor gelassen und die Normalengleichung berechnet.

Dies ist auch der übliche Weg, der unabhängig von einem etwaigen Defekt von $\mathbf{N}$ funktioniert (wenn das um Restriktionen erweitere System regulär ist).

Desweiteren muss ich die a priori und a posteriori Standardabweichungen der Neupunkte bestimmen. Ich musste jetzt feststellen, dass die N-Matrix singulär ist und diese sich nicht invertieren lässt.

Da die Höhenunterschiede keine Information zur Lagerung des Netzes liefern, sondern nur die relativen Informationen zwischen zwei Punkten beschreiben, können keine absoluten Höhen bestimmt werden. Die Normalgleichungsmatrix $\mathbf{N}$ weist einen Datumsdefekt auf und der Rang ist $\mathrm{rg(\mathbf{N})} = 3$ und nicht 4 (= Anzahl der Spalten in $\mathbf{N}$). Geometrisch bedeutet dies, dass wir die Höhen von drei Punkten im Netz bestimmen können, wenn wir die Höhe von einem Punkt kennen. In Deinem Fall kennen wir sogar die Höhen von zwei Punkten HA, HB. Insofern ist die Voraussetzung erfüllt und die Höhen H1, H2 lassen sich in Bezug auf HA, HB bestimmen. Da HA und HB fehlerfrei sein sollen, können für diese beiden Punkte keine Unsicherheiten aus der Ausgleichung abgeschätzt werden. Restriktionen schaffen also harte Fakten. In der Kofaktormatrix werden für HA und HB also nur Nullen stehen. Um diese Kofaktormatrix zu erhalten, invertierst Du einfach das erweiterte System und erhältst dann automatisch die Kofaktormatrix von $\mathbf{x}$, $\mathbf{k}$ und deren Abhängigkeiten.


$\begin{bmatrix} \mathbf{N} & \mathbf{R^{\mathrm{T}}} \\ \mathbf{R} & \mathbf{0} \end{bmatrix}^{-1} = \begin{pmatrix} 0 & 0 & 0 & 0 & 1 & 0 & 0 \\ 0 & 0 & 0 & 0 & 0 & 1 & 0 \\ 0 & 0 & 0,25 & 0,25 & 0,5 & 0,5 & -0,5 \\ 0 & 0 & 0,25 & 0,25 & 0,5 & 0,5 & 0,5 \\ 1 & 0 & 0,5 & 0,5 & -1 & 1 & 0 \\ 0 & 1 & 0,5 & 0,5 & 1 & -1 & 0 \\ 0 & 0 & -0,5 & 0,5 & 0 & 0 & -1 \\ \end{pmatrix}$

So, wie Du $\mathbf{x}$ und $\mathbf{k}$ gemeinsam bestimmst, bestimmst Du auch die gemeinsame Kofaktormatrix. Und so wie Du $\mathbf{\hat{x}}$ ausgeschnitten hast, musst Du auch $\mathbf{Q_{\mathbf{\hat{x}}}}$ ausschneiden. Es ist die obere linke 4x4 Blockmatrix

$\mathbf{Q_{\mathbf{\hat{x}}}} = \begin{pmatrix} 0 & 0 & 0 & 0 \\ 0 & 0 & 0 & 0 \\ 0 & 0 & 0,25 & 0,25 \\ 0 & 0 & 0,25 & 0,25 \\ \end{pmatrix}$

Die untere 3x3 Blockmatrix ist im übrigen die (negative) Kofaktormatrix $\mathbf{Q_{\mathbf{\hat{k}}}}$ der geschätzten Lagrange Multiplikatoren $\mathbf{\hat{k}}$. Den Nebendiagonalblöcke beschreiben wiederum die Abhängigkeiten zwischen $\mathbf{\hat{x}}$ und $\mathbf{\hat{k}}$.

Wie Du siehst, sind die Elemente für HA und HB alle Null. Es würde sich also anbieten, diese erst gar nicht im Modell $\mathbf{y = Ax+e}$ einzuführen. Hierzu müssen wir die funktionalen Zusammenhänge leicht umformulieren und auf gekürzte Beziehungen übergehen. Bisher haben wir folgende Gleichungen direkt verwendet und dabei die Kenntnis der Höhen HA und HB nicht berücksichtigt.

$\Delta hA1 = H1 - HA = 0,5619\,\mathrm{m}$
$\Delta hA2 = H2 - HA = 3,5699\,\mathrm{m}$
$\Delta hB1 = H1 - HB =-2,3152\,\mathrm{m}$
$\Delta hB2 = H2 - HB = 0,6970\,\mathrm{m}$

wenn wir diese aber bereits im funktionalen Modell berücksichtigen wollen, dann ergibt sich:

$\Delta hA1 = H1 - 115,584 = 0,5619\,\mathrm{m}$
$\Delta hA2 = H2 - 115,584 = 3,5699\,\mathrm{m}$
$\Delta hB1 = H1 - 118,460 =-2,3152\,\mathrm{m}$
$\Delta hB2 = H2 - 118,460 = 0,6970\,\mathrm{m}$

und weiter zusammengefasst indem wir die bekannten Höhen auf die andere Seite bringen

$H1 = 116,1459\,\mathrm{m}$
$H2 = 119,1539\,\mathrm{m}$
$H1 = 116,1448\,\mathrm{m}$
$H2 = 119,1570\,\mathrm{m}$

In der Designmatrix haben wir nun nur noch zwei Unbekannte, die Höhen von H1, H2.

$\mathbf{A} = \begin{pmatrix} +1 & 0\\ 0 & +1\\ +1 & 0\\ 0 & +1 \end{pmatrix}$

Diese Matrix entspricht also genau dem rechten Teil der ursprünglichen Designmatrix. Wenn Du nun aber $\mathbf{N=A{^\mathrm{T}}A}$ bildest und den Rang bestimmst, wirst Du feststellen, dass dieser $\mathrm{rg(\mathbf{N})} = 2$ ist und demnach genau der Anzahl der Spalten entspricht. $\mathbf{N^{\mathrm{-1}}}$ existiert und beide Punkte können demnach bestimmt werden, wobei der Beobachtungsvektor nun

$\mathbf{y} = \begin{pmatrix} 116,1459\\ 119,1539\\ 116,1448\\ 119,1570 \end{pmatrix}$

lautet. Die Lösung für dieses Gleichungssystem ist

$\mathbf{\hat{x}} = \begin{pmatrix} 116.14535\\ 119.15545 \end{pmatrix}$

Dies ist also exakt der jeweilige Mittelwert der beiden Höhen in $\mathbf{y}$.
Die Lösung weicht von der bereits gezeigten Lösung jedoch ab, da wir zwar die Information der Festpunkthöhen implizit berücksichtigt haben im funktionalen Modell aber die Restriktion

$\Delta h12 = H2 - H1\overset{!}{=}3,0121\,\mathrm{m}$

noch nicht. Mit

$\mathbf{R} = \begin{pmatrix} -1 &+1 \end{pmatrix}$

und

$\mathbf{r} = \begin{pmatrix} 3,0121 \end{pmatrix}$

erweitern wir wieder das Gleichungssystem zu

$\begin{bmatrix} \mathbf{N} & \mathbf{R^{\mathrm{T}}} \\ \mathbf{R} & \mathbf{0} \end{bmatrix} \begin{bmatrix} \mathbf{x}\\\mathbf{k} \end{bmatrix} = \begin{bmatrix} \mathbf{y}\\\mathbf{r} \end{bmatrix} $

und erhalten als Lösung wiederum

$\mathbf{\hat{x}} = \begin{pmatrix} 116,14435\\ 119,15645 \end{pmatrix}$

sowie

$\mathbf{\hat{k}} = \begin{pmatrix} -0,002 \end{pmatrix}$

Die Kofaktormatrizen lauten

$\mathbf{Q_{\mathbf{\hat{x}}}} = \begin{pmatrix} 0,25 & 0,25 \\ 0,25 & 0,25 \\ \end{pmatrix}$

und

$\mathbf{Q_{\mathbf{\hat{k}}}} = \begin{pmatrix} 1 \end{pmatrix}$

Da $\mathbf{N^{\mathrm{-1}}}$ existiert, kannst Du hier auch die stufenweise Auflösung nutzen, die Du bereits in der Literatur gefunden hast.

Noch eine Frage: Kannst du mir einen Literaturhinweis geben, indem auch mal Beispielaufgaben enthalten sind oder darf ich dich einfach fragen?

Ich persönlich schaue am häufigsten in das Buch Klassische und robuste Ausgleichungsverfahren von Jäger u.a., welches hoffentlich dieses Jahr in der 2. Auflage erscheint. Es enthält jedoch für die bedingte Ausgleichung auch nicht sonderlich viele Beispiele. Die meisten beziehen sich auf die freie Netzausgleichung. Ich denke aber, dass man sich leicht eigene Beispiele überlegen kann. Gerade in der Formschätzung tritt der Fall häufig auf, dass ein Vektor normiert sein soll oder dass man den Radius eines Kreis/einer Kugel a-priori bereits kennst und dies berücksichtigen will. Sei kreativ. ;-)

Viele Grüße
Micha

--
applied-geodesy.org - OpenSource Least-Squares Adjustment Software for Geodetic Sciences

Tags:
Ausgleichung, Höhennetz, Parameterschätzung, Gauß-Markov-Modell, freie Netzausgleichung, Restriktionen, Bedingungen, Stufenweise Lösung


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